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Mann auf Biohof Mann auf Biohof

Biologische Landwirtschaft ist eine Haltungsfrage.

Interview mit Michael Braun, Bio-Landwirt

Was heißt für Sie Bio?

Sowohl für Rudolf Steiner (österreichischer Publizist, Esoteriker und Begründer der Anthroposophie), als auch für Dr. Hans Müller (der Mentor des Biolandverbandes), stand ursprünglich die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsverhältnisse der Landbevölkerung im Vordergrund. Erst einige Zeit später hat sich aus diesem Vorsatz und aus diesen Ideen der ökologische Landbau herausgeschält. Bezeichnend hierfür ist auch, daß die Verbandszeitschrift für den ökologischen Landbau in der Schweiz, nicht „Flur und Furche“, oder „Kuh und Schaf “ hies, sondern „Kultur und Politik“.

Wie groß ist Ihr Hof und was bauen Sie so alles an?

Ich bin jetzt 33 Jahre Bauer und unser Hof hat sich in diesen Zeiten mehrfach grundlegend verändert. Als ich den Hof 1986 mit 25 Jahren übernahm, hatten wir 15 Milchkühe, einige Schafe, ein paar Schweine. Wir bauten Getreide, Kartoffeln und Feldfutter an und bewirtschafteten 60 ha. Das war schön, hatte aber so keine Zukunft, alles zu klein und zu kleinteilig. Schwierig für meine Eltern, schwierig für meine Frau und mich damals. Wir probierten es mit dem Gemüseanbau, stellten dann aber fest, daß es hierfür noch keinen Markt gab. Aus dieser Situation heraus gründeten wir 1988 die Abokiste. Gemüse frei Haus, und geliefert wurde, was der Acker hergab. Heute sind wir in der glücklichen Lage, daß wir alle Produkte, die wir auf unseren Feldern anbauen, auch über unseren Lieferservice vermarkten können. Heute halten wir keine Tiere mehr auf unserem Hof, dafür bauen wir viele verschiedene Gemüsearten an. In unseren Gewächshäusern bauen wir Tomaten, Gurken, Paprika und Auberginen an, dazu kommen Kräuter, Fenchel, Mangold und Salate. Im Freiland ist unsere Spezialität der Kürbisanbau und Zuckermais.

Sie haben einen Lieferservice für Ihre Bioprodukte ins Leben gerufen. Wie kam’s zu der Idee?

Wie fast alles Gute aus der Schweiz. In den 70er und 80er Jahren sind alle, die sich mit dem ökologischen Landbau befassten und nicht der Anthroposophie anhingen, in die Schweiz zu den Seminaren von Dr. Müller gereist. Mitte der 80er Jahre auch ich. Dr. Müller hatte zusammen mit seiner Frau in der Schweiz nicht nur einen Verband ökologisch wirtschaftender Betriebe gegründet, sondern auch eine Genossenschaft, welche die Produkte dieser Betriebe auch vermarktete. Neben der Vermarktung an den Lebensmitteleinzelhandel versendetet diese Genossenschaft erfolgreich Lebensmittelpakete an Privathaushalte. Nach einem dieser Seminare überlegten wir uns, ob wir diese Vermarktungsform nicht auch hier umsetzen könnten. Das war eher eine aus der Not heraus geborene Überlegung, da wir für unser Gemüse keine Käufer fanden. Und so starteten wir unseren Lieferservice mit einer Anzeige in der örtlichen Zeitung, einem handgeschriebenen Flyer und mit dem gebraucht gekauften Ford Transit vom örtlichen Flaschner.

Sie liefern „Kisten“. Was ist da in der Regel so alles drin?

Alles, was gerade auf unserem Hof wächst, was bei Kollegen in der Region wächst, aber auch was auf den Feldern bei Biobauern in Europa und weltweit wächst. Bei der Sortimentszusammenstellung unserer Kisten gehen wir aber genau in der oben genannten Reihenfolge vor. Zuerst kommt das in die Kiste, was vom Hof ist, dann das aus der Region und erst dann kommt Europa und die Welt. Meine persönliche Meinung hierzu ist, dass Regionalität als Solitär kein Qualitätsbegriff ist. Dieses Regionalitätsversprechen muss immer verknüpft sein mit weiteren Qualitätskriterien wie Artenschutz, kontrolliertem ökologischen Landbau und Tierschutz. Hinzu kommt, wir Deutsche sind Exportweltmeister, schämen uns dann aber eine Mango oder eine Ananas zu essen. Wovon soll der afrikanische oder südamerikanische Bauer eine Bosch-Einspritzpumpe für seinen Traktor bezahlen? Auch darüber lohnt es sich nachzudenken und abzuwägen. Und immer wieder stellen wir uns die Frage, was machen wir selbst und was kaufen wir zu. Ich bin leidenschaftlicher Bauer, dennoch erkennt man, daß es Bauern gibt, die manche Dinge besser machen, als man es selbst machen kann. Aus dieser Erkenntnis heraus haben wir in den letzten 30 Jahren ein Netzwerk gebaut. Der Betrieb Albert Burger aus Nußdorf kann Möhren anbauen, sein Nachbar Waldbauer, der Pastinaken und Petersilienwurzel anbietet. Der Betrieb Grieshaber Kartoffeln, Sellerie und Rote-Beete. Vom Betrieb Blessing mit seiner Hofmolkerei beziehen wir Frischmilch und handgemachten Käse, Joghurt, Quark und Sahne. Dazu kommen Achim Bauer, Eberhard Landes, Andreas Betzler, unsere Apfelbauern, Georg Adrion ebenfalls Äpfel, Wirsing und Grünkohl. Nicht zu vergessen Swen Seemann, unser Erdbeerspezialist. Das Alles zu können, kann ein Einzelner nicht, aber zusammen ist das immer wieder eine runde, aufregende Sache.

Wie viel Leute arbeiten bei Ihnen, um das alles umzutreiben?

Mittlerweile 50 Menschen, wenn der Vergleich mit dem Gartenbau hier erlaubt ist, echte samenfeste Menschen, jeder anders, keiner gleicht sich. Mit diesen Mitarbeitern zu arbeiten ist eine herausfordernde Sache, oft anstrengend, aber immer zielführend und am Ende menschlich auch sehr bereichernd.

Sie betreiben auch einen Internet-Shop für Bioprodukte. Wie passt bei Ihnen Natürliches und Digitales zusammen?

Das passt zusammen wie Wasser und Land, Meer und Strand, wie Wind und Sonne oder Mond und Sterne. Oder Berg und Tal. Jedes allein für sich gibt es nicht. Natürlich wäre es möglich, am Strand zu leben und nur aufs Land zu schauen, oder das Tal nie zu verlassen. Damit will ich sagen, geradedie neuen Medien ergänzen unser Bio-Geschäft bestens.

Sie schreiben im Netz „Monatsbriefe“ zu verschiedenen Bioland-Themen. Was ist die Botschaft, die Sie zum Ausdruck bringen wollen?

Wenn unsere Gurken bei unseren Kunden auf dem Tisch landen, sollen sie mehr sein, als nur die Gurke an sich. Auch Biogurken sind austauschbar. Sie gibt es an jeder Ecke. Und das nicht mal in objektiver schlechterer Qualität, als bei uns. Ich wage sogar zu behaupten, dass man das Bio im Produkt nicht unbedingt am Geschmack erkennt. Ich denke, der Kunde muss hinter der Gurke eine Haltung erkennen, eine Haltung die sich auch jenseits des ökologischen Landbaues darstellt. Erst dann stellt sich beim Genuss der Gurke der Geschmack ein, der über das eigentliche Produkt hinausgeht. Auch, dass nach vielen Monatsbriefen die „beste“ Gurke dann dem Kunden bitter schmeckt, muss man aushalten.

Sie sind ja vielfältig aktiv, wie wir sehen können. Gibt es noch was, das Sie herausfordert?

Irgendwann in seinem Leben sollte man angekommen sein, ohne allerdings stehen zu bleiben. Dieser Betrieb ist die Herausforderung und angesichts der Geschwindigkeit, mit der sich dieser Markt entwickelt, wäre es müßig andere Herausforderungen zu wollen. Dieser Betrieb ist gerade wie ein Jugendlicher, der erwachsen wird.

Eine Frage zum Schluss: Was essen Sie zuhause am liebsten?

Wenn man über Essen redet, dann schieben sich die Geschmäcker und Gerüche der Kindheit wie ein kalter Ostwind, wenn man bei Schnee über die Felder geht, über die Zunge und in die Nase. Dann denkt man an den Hasen, der kurz zuvor geschlachtet wurde und dann mit Rotkraut und Knödel auf dem Tisch landete. Oder an die Saitenwürste zu Heiligabend mit Kartoffelsalat. An die Linsen mit handgemachten Spätzle. Und ganz zum Schluss bleibt dann noch das selbstgebackene Bauernbrot meiner Mutter, die Scheiben mit ein wenig Butter belegt und darauf hauchdünne Tomatenscheiben mit ein wenig Salz und Zwiebeln. Ja, das esse ich heute noch am liebsten.

Michael Braun

"Regionalitätsversprechen muss immer verknüpft sein mit weiteren Qualitätskriterien."